Jörg Müllers Kunstwerke sollen die Energie des Materials freisetzen
Karben (sur). »Es ist faszinierend, was ein
Holzstück zu erzählen hat, das frisch aus
dem Sägewerk kommt«, sagt Jörg Müller
und strahlt über das ganze Gesicht. Die Maserung
spreche für Leben, Kraft und Stärke.
Um diese Energie freizusetzen, streicht er
behutsam über die Fläche und bearbeitet das
Holz kreativ und intuitiv. Müller ist bei der
Karbener Künstlerinitiative aktiv. Sein Steckenpferd:
das Holz.
Die Liebe zum Naturmaterial war bei Müller
bereits in frühester Jugend vorhanden.
Als Grundschüler begeisterte er sich für den
Werkunterricht und dekorierte den elterlichen
Garten. Bei der Suche nach einem erfüllenden
Beruf stand zunächst der Wunsch
nach einer Arbeit mit Holz auf dem Programm,
der jedoch durch ein mehr als ernüchterndes
Praktikum in einer Schreinerei
zunichtegemacht wurde. Das wochenlange
Fegen der Werkstatt schreckte den nach neuen
Impulsen suchenden Müller derart ab,
dass er zugunsten einer Lehre zum Großund
Außenhandelskaufmann seine Liebe
zum Holz aufgab.
Erst viele Jahre später führte der Zufall
ihn wieder mit seinem Lieblingsmaterial zusammen.
Sein Schwager Dieter Schulz – Inhaber
einer bekannten Schreinerei in Altenstadt
– fertigte neben den üblichen Schreinereitätigkeiten
auch Holzmöbel selbst. In
Phasen hohen Auftragsbestandes kamen Anfragen,
ob Müller nicht etwas aushelfen könne.
»Klar«, sagte Müller sich und entfachte
seine Liebe zum Holz
damit erneut. »Er hat
mir gezeigt, was man
alles aus Holz machen
kann«, sagt Müller
über Schulz. Und ergänzt
respektvoll: »Er
hat mir viel beigebracht.
«
Zunächst mit billigen
Maschinen aus
dem Baumarkt, begann
Müller vor nun
fast 20 Jahren wieder
selbst, Sachen aus
Holz zu gestalten. Eine entscheidende Rolle
spielte dabei der eigene Hausbau in Nidderau.
Das Heim erhielt durch viel Eigenleistung
einen individuellen Charakter. Allerdings
zermürbten Müller die Ergebnisse der
Billigmaschinen. Der Vergleich mit den professionellen
Maschinen aus der Schreinerei
und den dort zu erreichenden Ergebnissen
ließ den Entschluss reifen, erst einmal richtig
zu investieren. »Da habe ich mir die erste
richtig gute Hobelmaschine gekauft«, sagt
Müller.
Und das Ergebnis überzeugte. Entstanden
sind dabei nicht nur Treppenstufen und notwendige
Elemente, auch ein liebevoll selbst
gearbeitetes Schränkchen steht aus dieser
Zeit im Hausflur. Und kaum sei der Hausbau
abgeschlossen gewesen, erklärt Müller, sei
die Kunst gekommen.
Einige Fortbildungen im Art-Kontor,
Frankfurt bei Gerd Thomson und ein Drechselkurs
bei Thomas Keßler in Reichelsheim
haben die Fertigkeiten verfeinert. Mittlerweile
hat Jörg Müller nicht nur an den Karbener
Kunst-Tagen, sondern auch an einigen
Ausstellungen teilgenommen – und eine ganze
Reihe seiner Objekte verkauft.
Für die Zukunft hat sich Müller einiges
vorgenommen: Zunächst steht der Plan an,
wieder nach Karben zu ziehen und dort zu
bauen. Auch dies wird Zeit verschlingen, ist
er sich sicher. In Karben haben er und seine
Frau Iris, die als Malerin ebenfalls an der
Karbener Künstlerinitiative teilnimmt, bereits
die Perspektive, der Kunst einen größeren
Raum als bislang einzuräumen. Zusätzlich
gibt es den Wunsch nach einer eigenen
Werkstatt.
Gerne will das Ehepaar die Liebe zur
Kunst teilen und mit anderen Kunstbegeisterten
zusammenarbeiten, Ausstellungen und
Seminare anbieten. Die Realisierung ist nur
eine Frage der Zeit.
10.05.2017, Wetterauer Zeitung